Rock me, baby!

Viele Männer sind Mängelexemplare. Unser Herz können sie dennoch erobern, weiß Amelie Fried.

Mein Mann erfreut sich im Kreis meiner Freundinnen großer Beliebtheit - sollte ich ihn jemals verlassen, würde er wohl nicht lange allein bleiben. Woran das liegt? Nun, neben den üblichen Fertigungsmängeln, die Männer nun mal aufweisen, hat er eine Reihe angenehmer Eigenschaften, die ihn von vielen seiner Artgenossen unterscheidet: ER kann zuhören, er interessiert sich für andere, er hat Humor und er kann gut erzählen. Das wüde eigentlich schon reichen, seine Popularität zu erklären, aber darüber hinaus hat er eine Fähigkeit, die ihm geradezu unwiderstehlich macht: Er tanzt gern!

Keine Party, bei der nicht sehnsüchtig blickende Frauen die Tanzfläche umringen, auf der mein Mann sich geschmeidig, mit vollendetem Rhythmusgefühl bewegt. Mich treffen Blicke voller Neid, die zu fragen scheinen: „Wieso gehört dieses Prachtexemplar eigentlich dir?“

Ist doch komisch, dass viele Männer so ungern tanzen, obwohl sie damit solchen Erfolg bei Frauen haben könnten!

Am ehesten lassen sie sich noch dazu hinreißen, uns zu Standard-Rhythmen wie Foxtrott oder Rumba übers Parkett zu schieben. Das können sie aus dem Tanzkurs (falls sie einen gemacht haben). Aber das ist es doch nicht, was wir Frauen wollen!
Wir wollen einen wilden Rock‘n‘Roller, der uns mit durchtrainiertem Muskelapparat zu „I‘m Goin‘ Home“ herumwirbelt und bei „I Can‘t Get No Satisfaction“ mit glühenden Blicken verzehrt, während er donnernd betrifft, muss er obendrein die Größe aufbringen, zu „It‘s Raining Men“ von de Weather Girls zu tanzen und es nicht peinlich zu finden.  Sein Ruf als leidenschaftlicher Tänzer brachte meinen Mann schließlich einen Gutschein für drei Tango-Stunden ein, von einer Freundin zum Geburtstag. Zuerst war er irritiert, dann amüsiert. Tango? Warum eigentlich nicht. Dann begriff er, dass man Tango nicht alleine tanzen kann, und fragte, ob ich ihn begleiten möchte. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. In unserem Bekanntenkreise gibt es immer mehr Ehepaare, die jetzt Tanzkurse belegen. Mir erscheint das fast so verdächtig wie Golf spielen: als beginnende Kapitulation vor dem Alter. Wir ließen die Zeit verstreichen. Nahmen uns immer wieder vor, die Sache anzugehen. Ließen es schließlich bleiben. Am Ende tauschte mein Mann den Gutschein in zwei Karten für einen Konzert von Neil Young ein. Hey Hey, My My, Rock‘n‘Roll Will Never Die!

Quelle: Für Sie Kolumne, Ausgabe 13/2010
Amelie Fried, 50, ist Bestseller-Autorin und Fernsehmoderatorin („3 nach 9“)

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